Tolle Lege
Freitag, 26. August 2011
Mein armer Fritz
Freitag, 26. August 2011, 23:44
Preussen - das steht für Härte gegen sich selbst, Revolution von oben, Militarismus und andere heutzutage nicht so angenehme Themen. Revolution von oben gibt es zwar immer noch in Deutschland, aber anders als früher ist es besser als Demokratie getarnt.
Es hätte anders kommen können. Nach dem ersten Weltkrieg hob eine Diskussion an, was gewesen wäre, wenn der als liberal und volksnah geltende Kronprinz Friedrich Wilhelm nicht nur als Hundert-Tage-Kaiser Friedrich III. in die Geschichte eingegangen wäre. Gerade lese ich ein Biografie über ihn von Werner Richter, in der das Bedauern über den Verlauf der Geschichte und die Sympathie für den Sohn Wilhelms I. einem auf jeder Seite entgegenspringt. Richter hat diese Biografie 1938 geschrieben - angesichts der damaligen Situation ist das Bedauern begreiflich.
Richter betont vor allem die zweifelhafte Rolle Bismarcks, der eigentlich alle irgendwie im Griff hatte und sie gegeneinander ausspielte. Gerade der Kronprinz kam dabei nicht immer gut weg, auch wenn er in manchen Fällen Bismarck unterstützte. Kaiser Wilhelm I. war sich offensichtlich nicht sicher, ob er seinem Nachfolger in allem trauen konnte. Darin wurde er natürlich von Bismarck immer wieder bestärkt, denn Bismarck hatte für die fortschrittlichen Neigungen des Kronprinzen nichts übrig.
Die Fronten in diesem inneren Kampf ziehen sich durch die ganze Hohenzollern-Familie und durch das ganze deutsche Reich. Vielleicht ist das normal in Herrscherfamilien, in denen es halt Zank und Streit gibt wie woanders auch. Am Ende, und das fand ich besonders rührend, bricht trotz allem beim alten Wilhelm die Vaterliebe durch. Das Schicksal, das seinen Sohn trifft, ist doch zu hart. Er erkrankt an Kehlkopfkrebs und stirbt innerhalb eines Jahres.
Während der Sohn in San Remo weilt, um in diesem schonenden Klima die schlechten Chancen auf Überleben zu erhöhen, liegt der Kaiser in Berlin mit einer schweren Erkältung darnieder. Der Kaiser hört die furchtbaren Nachrichten über den Verlauf der Krankheit seines Sohnes von seinem Enkel Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm II.
In den Momenten, in denen er sich unbeobachtet glaubt, hören seine Diener den alten Kaiser im Bett leise klagen: "Mein Fritz, mein armer Fritz."

Jordanus

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