Tolle Lege
Dienstag, 22. Januar 2013
Es ist alles da
Dienstag, 22. Januar 2013, 12:35
Vor ein paar Jahren schrieb Heinrich Detering in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen mit geistreichen Zitaten gespickten Artikel über die Bibel. Er endete mit diesem Satz:

Eigentlich fehlt hier überhaupt nichts, ist alles da, und da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.

Hier ist das Zitat aus Rilkes Gedicht Archaischer Torso Apollos zu erkennen. Darin beschreibt Rilke die Statue eines griechischen Gottes, von der eigentlich nur noch der Rumpf übrig ist. In diesem Gedicht scheint Rilke die ursprüngliche Größe und Wucht der Statue zu erahnen. Wobei dabei klar ist: Es ist immer noch eine Statue, sonst nichts. Rilkes Gedicht endet mit den Worten „...denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.“

Obwohl diese Statue ein Fragment ist, sieht Rilke darin mehr, als man mit bloßem Auge erkennen kann. Eigentlich komisch, dass Rilke einer Statue eine solche Kraft andichtet. Aber er war lange Sekretär bei Rodin, vielleicht hatte er da gelernt, dem Ausdruck des toten Steines oder anderen Gehölzes mehr abzulauschen als andere.

Das berühmte Schlussworte des Gedichtes zitiert Detering in seinem Artikel über die Bibel. Eigentlich ist das eine noch bessere Verwendung für Rilkes Wortschöpfung. Denn Deterings Artikel beschreibt die Bibel in ihrer literarischen Vielfalt, vor allem aber auch in ihrer einzigartigen Wirkung. Es heißt dort, sie sei eine Summe der gesamten Literatur der Menschheit, mitsamt der noch kommenden.

Auch die Bibel kommt einem manchmal vor wie ein Rumpf, ein sehr unvollkommenes Gebilde. Trotzdem enthält gerade sie immer wieder den Gedanken, dass wir es hier mit mehr zu tun haben als mit einem angestaubten alten Buch. Manche Geschichten haken sich im Gehirn fest und entfalten oft erst nach langer Zeit eine sehr merkwürdige Wirkung: Man hat plötzlich das Gefühl, gesehen, durchschaut zu werden. Da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Oder anders gesagt:

Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer
als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch,
bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein,
und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
Hebräer 4, 12


Geistreicher Weise hat Detering den Satz "Du musst dein Leben ändern" weggelassen. Vielleicht ergibt sich das von selbst, wenn die Stellen mich sehen.

Der Kirchentag 2007 hatte übrigens das Motto "lebendig und kräftig und schärfer". Das war einfach so in den Raum gestellt, damit man es auch ja nicht in dem ursprünglichem Zusammenhang lesen konnte. In der Bibel ist es auf das Wort Gottes bezogen. Die Kirche bezog es auf sich selbst. Sehr vielsagend. Man kann sich manchmal kaum etwas weniger Scharfes und Lebendiges vorstellen als die Evangelische Kirche.

Aber wie sagte Adrian Plass so schön? "Die Toten werden zuerst auferstehen."

Jordanus

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Freitag, 11. Januar 2013
Die Stille auf dem Dachboden
Freitag, 11. Januar 2013, 18:02
Drei Kinder fangen an zu beten, nachdem sie von der tödlichen Krankheit ihres Vaters erfahren haben. Erst denkt nur eine der Töchter darüber nach, dann sagt sie es laut, und die anderen in ihrer Hilflosigkeit stimmen zu. Sie gehen gemeinsam auf den Dachboden, um die Stille zu suchen.

Wie diese Stille sie in ihren Bann zieht, sie nach endlosen Minuten des Schweigens plötzlich anfangen, in diese Stille hinein zu reden, wie sie in dieser Stille plötzlich ein mächtiges Gegenüber ahnen, spüren, dass ist eine der eindringlichsten Beschreibungen des Gebets, die ich seit langem gelesen habe. Als Leser glaubt man dieses fast unheimliche Gegenüber selbst zu ahnen.

Allein schon wegen dieser Beschreibung finde ich das Buch "Gott braucht dich nicht" von Esther Maria Magnis lesenswert. Im Untertitel nennt sie das Buch "Eine Bekehrung", aber sie kommt in diesem schonungslosen Bericht ganz ohne fromme Worte aus. Diese Schonungslosigkeit macht den Reiz dieses Buches aus. Sie schont sich nicht, und sie schont auch Gott nicht.

Es ist ein harter, innerer Kampf, von dem Esther Maria Magnis erzählt. Den Teilabdruck ihres Buches in der Zeit finde ich so witzig, dass es beinahe nicht zum Rest des Buches passt. Aber die witzige und kritische Betrachtung der äußeren Erscheinungsformen von Kirche machen ihren inneren Kampf mit dem lebendigen Gott, der aus der Stille kommt, um so glaubwürdiger.

Ich meine allerdings nicht verstanden zu haben, warum das Buch "Gott braucht dich nicht" heißt. Der Titel scheint eine Art Dialog mit atheistischen Publikationen wie "Wozu brauche ich einen Gott?". Wegen seiner schonungslosen Offenheit eignet sich das Buch tatsächlich ganz besonders für den Dialog mit Menschen, die nicht an Gott glauben. Denn das Buch lässt viele Fragen offen und bietet nicht, wie es uns so oft passiert, vorschnell irgendwelche Lösungen für die Grundprobleme menschlicher Existenz an. Trotzdem ziehen uns dabei die Stille und der Kampf in ihren Bann.

Jordanus

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Mittwoch, 9. Januar 2013
Mach das nochmal!
Mittwoch, 9. Januar 2013, 13:09
Der Zweifel an Gottes Wort wird in der Bibel ernst genommen. Psalm 126 zum Beispiel ist nach meiner Schätzung in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft geschrieben. In dieser Zeit erinnern sich die verschleppten Juden daran, dass Gott sie ja schon einmal aus der Gefangenschaft befreit hatte. Aus Ägypten nämlich.

In der babylonischen Gefangenschaft fragen sie sich, ob Gott das wieder tun kann. Kann Gott wieder so handeln, wie er an unseren Vorfahren gehandelt hat? Oder sind das alles nur Geschichten, mit denen sich die Menschen über die Abwesenheit Gottes hinwegtäuschen? Diese Frage taucht m.E. in der Bibel und den Psalmen häufiger auf. In der Bibel werden diese Fragen nicht unterdrückt.

Damit das deutlicher wird als in der Luther-Übersetzung, habe ich den Psalm aus der hervorragenden Übertragung von Eugene Peterson ins Deutsche übersetzt, so gut es mir möglich war. Das sieht dann so aus:

Psalm 126
Es war wie ein Traum, zu schön, um wahr zu sein,
als GOTT die Gefangenen Zions zurückbrachte.
Wir lachten, wir sangen, wir konnten unser Glück nicht fassen.
Wir waren das Gespräch der Völker -
"GOTT hat Großes an ihnen getan!"
GOTT hat Großes an uns getan.
Wir sind ein glückliches Volk.

Und nun, GOTT, mach das nochmal,
bring Regen in unser verdorrtes Leben,
lass, die in Verzweiflung ihre Früchte pflanzten,
Hurra schreien beim Anblick der Ernte,
lass, die mit schweren Herzen gingen,
lachend heimkommen, die Arme voller Segen!


Wir sind kaum in einer anderen Lage als die verschleppten Juden. Auch wir haben gelesen und gehört, wie Gott früher gewirkt hat. Auch wir können nicht glauben, was er getan hat. Auch wir wünschen, dass er wieder handelt. Deswegen bitten wir: Mach das nochmal!

Jordanus

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Freitag, 6. Juli 2012
Eine Nachricht an die Nerds, die mich früher mit ihren Insidern genervt haben
Freitag, 6. Juli 2012, 14:27
In der Nikolaikirche in Kiel hängt ein Triumphkreuz zwischen Altarraum und Kirchenschiff, das an den Baum des Lebens erinnern soll. Das war einer von zwei wichtigen Bäumen im Paradies, wie man in der Genesis nachlesen kann.

Dieser Lebensbaum bezieht sich auf den Stammbaum Jesu im ersten Kapitel des Matthäusevangeliums. Aus dem Kreuz sprießen Blätter, so dass es tatsächlich ein wenig aussieht wie ein Baum. Die Zahl der Blätter ist 42. In Worten: Zweiundvierzig.

Jedes Blatt an dem Baum steht für einen Menschen aus dem Stammbaum Jesu. Wie viele das sind, steht bei Matthäus im ersten Kapitel:

Von Abraham bis zu David sind vierzehn Glieder. Von David bis zur babylonischen Gefangenschaft sind vierzehn Glieder. Von der babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus sind vierzehn Glieder.

Mit Gliedern meint Matthäus das, was wir heute Generationen nennen. Rechnet man alle Glieder zusammen, kommt man auf die oben erwähnte Zahl.

3 x 14 = 42

Es gibt noch weitere biblische Hinweise auf die Zahl 42. Was ich an der ganzen Sache nicht verstehe: Wie konnte Douglas Adams so blind und ahnungslos sein und behaupten, er habe eine möglichst sinnlose Zahl gesucht und die 42 gefunden?

Jordanus

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Donnerstag, 8. September 2011
Die Beste aller möglichen Welten?
Donnerstag, 8. September 2011, 14:04
Logik ist nicht immer zwingend: Leibniz fand, da Gott allmächtig sei, müsse er die Beste aller möglichen Welten erschaffen haben. Ein paar Jahre nach dem Erdbeben in Lissabon, bei dem 30000 Menschen ums Leben kamen, veröffentlichte Voltaire seine polemische Entgegnung auf diese These: Den Roman "Candide oder der Optimismus". Der Held Candide wird hier über den Zustand der Welt eines Besseren belehrt.
Leider werden Apologien des Christentums oft mit dem "Christentum an sich" identifiziert. Dabei finden sich schon im "Candide" christliche Gegenpositionen zu Leibniz' These. Ein holländischer Kaufmann zum Beispiel antwortet wie folgt auf Candides Behauptung, wir lebten in der besten aller möglichen Welten:
"Die Menschen müssen die Natur schon ein bißchen verdorben haben, weil sie doch nicht als Wölfe geboren werden und sind doch Wölfe geworden: Gott hat ihnen weder Vierundzwanzigpfünder noch Bajonette gegeben, und sie schufen sich Bajonette und Kanonen, einander zu vernichten. Ich könnte die Bankrotte noch in Rechnung bringen, sowie die Justiz, die sich des Hab und Guts der Bankrottierer bemächtigt, damit die Gläubiger das Nachsehen haben."
Ich finde es sympathisch, dass damit der erklärte Atheist Voltaire auch Christen eine Stimme gibt. Vielleicht hatte er sogar Sympathien für manche christliche Utopie. Als Candide etwa einen Weisen aus dem Schlaraffenland Eldorado fragt, wie sie dort zu Gott beten, meint der:
"Wir beten gar nicht zu ihm, wir haben ja nichts zu begehren, er hat uns doch alles gegeben, was wir brauchen: wir danken ihm ohne Unterlaß."
Als Candide Priester sehen will, meint der Weise: "Liebe Freunde, wir alle sind Priester; der König und alle Hausväter singen allmorgendlich feierliche Dankgesänge, und fünf- oder sechstausend Musiker begleiten sie."
Was Voltaire hier als Utopie zeichnet, ist eigentlich ein Bestandteil evangelischen Selbstverständnisses. Woher er das wohl hat?
Ich bin zwar noch nicht ganz durch, finde aber, dass das ein äußerst unterhaltsames und aufschlussreiches Buch ist. Ich sollte mehr alte Franzosen lesen...

Jordanus

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Freitag, 26. August 2011
Mein armer Fritz
Freitag, 26. August 2011, 23:44
Preussen - das steht für Härte gegen sich selbst, Revolution von oben, Militarismus und andere heutzutage nicht so angenehme Themen. Revolution von oben gibt es zwar immer noch in Deutschland, aber anders als früher ist es besser als Demokratie getarnt.
Es hätte anders kommen können. Nach dem ersten Weltkrieg hob eine Diskussion an, was gewesen wäre, wenn der als liberal und volksnah geltende Kronprinz Friedrich Wilhelm nicht nur als Hundert-Tage-Kaiser Friedrich III. in die Geschichte eingegangen wäre. Gerade lese ich ein Biografie über ihn von Werner Richter, in der das Bedauern über den Verlauf der Geschichte und die Sympathie für den Sohn Wilhelms I. einem auf jeder Seite entgegenspringt. Richter hat diese Biografie 1938 geschrieben - angesichts der damaligen Situation ist das Bedauern begreiflich.
Richter betont vor allem die zweifelhafte Rolle Bismarcks, der eigentlich alle irgendwie im Griff hatte und sie gegeneinander ausspielte. Gerade der Kronprinz kam dabei nicht immer gut weg, auch wenn er in manchen Fällen Bismarck unterstützte. Kaiser Wilhelm I. war sich offensichtlich nicht sicher, ob er seinem Nachfolger in allem trauen konnte. Darin wurde er natürlich von Bismarck immer wieder bestärkt, denn Bismarck hatte für die fortschrittlichen Neigungen des Kronprinzen nichts übrig.
Die Fronten in diesem inneren Kampf ziehen sich durch die ganze Hohenzollern-Familie und durch das ganze deutsche Reich. Vielleicht ist das normal in Herrscherfamilien, in denen es halt Zank und Streit gibt wie woanders auch. Am Ende, und das fand ich besonders rührend, bricht trotz allem beim alten Wilhelm die Vaterliebe durch. Das Schicksal, das seinen Sohn trifft, ist doch zu hart. Er erkrankt an Kehlkopfkrebs und stirbt innerhalb eines Jahres.
Während der Sohn in San Remo weilt, um in diesem schonenden Klima die schlechten Chancen auf Überleben zu erhöhen, liegt der Kaiser in Berlin mit einer schweren Erkältung darnieder. Der Kaiser hört die furchtbaren Nachrichten über den Verlauf der Krankheit seines Sohnes von seinem Enkel Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm II.
In den Momenten, in denen er sich unbeobachtet glaubt, hören seine Diener den alten Kaiser im Bett leise klagen: "Mein Fritz, mein armer Fritz."

Jordanus

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Freitag, 19. August 2011
Die Tränen brachten ihn zum Lächeln
Freitag, 19. August 2011, 18:42
Immer häufiger entdecke ich den Romanen John Grishams kleine Portaits von engagierten Christen. In "Der Anwalt" ist es Bruder Manny. Er kümmert sich um den alkoholabhängigen Baxter Tate. Dieser ist einer von drei Hochschulabsolventen, die der Vergewaltigung verdächtigt werden. Sein Freund Kyle wird deswegen erpresst und soll als Anwalt in einer Großkanzlei den Erpressern Informationen über einen Prozess zwischen zwei Rüstungsfirmen liefern. Baxter ahnt noch nichts von der Erpressung, als Grisham ihn mit der Geschichte seines Entzugs einführt. Bruder Manny tritt auf, als Baxter aus dem Entzug kommt. Schon kurz nach seiner Ankunft in der Gemeide Mannys, zu der vor allem Obdachlose gehören, geht Baxter in die Stadt. Er kann die Vorstellung nicht ertragen, mit den Ärmsten der Armen ein Haus zu teilen.

"Baxter Tate, von der Pittsburgher Tate-Dynastie. Banker, Blaublütler, die in großen Herrenhäusern wohnten, welche von einer Generation an die nächste vererbt wurden, stolze, arrogante Menschen, die in andere, ähnliche Sippen einheirateten und Genpool dadurch noch kleiner machten. Wie hatte er es fertiggebracht, in seinem kurzen Leben so tief zu sinken?"

Er geht ins Casino und ist gerade dabei, ein Bier an die Lippen zu führen, als Manny ihn aufspürt. Manny sagt ihm, er sei in fünf Jahren tot, wenn er so weitermache. Baxter sagt, er sei zu schwach, um zu widerstehen. Manny holt ihn aus dem Casino.

"Sie hatten schon fast den Ausgang erreicht, als Bruder Manny bemerkte, dass Baxter weinte. Die Tränen brachten ihn zum Lächeln. Ein Süchtiger muss ganz unten sein, um wieder nach oben zu kommen."

Dann erzählt Manny Baxter, wie er sich selbst und seine Familie zerstört hat und dass er nur durch die Hilfe Gottes noch lebe. Er erzählt Baxter, wie er durch die Kraft des Heiligen Geistes gelernt habe, den Drogen zu widerstehen. Am Ende des Gesprächs bittet Baxter Manny um Hilfe.

"Können Sie mir helfen? Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe Angst. Große Angst."
"Lassen Sie uns beten, Baxter."
"Ich werde es versuchen."

Jordanus

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Donnerstag, 18. August 2011
Eat his books!
Donnerstag, 18. August 2011, 23:25
Eine meiner Neuentdeckungen dieses Jahr: Eugene Peterson. Er führt aus den akademischen Diskussionen heraus und in die Geschichten hinein. Für Peterson geht es vor allem darum, Geschichten zu erzählen. Das ist eine Sprache, die jeder versteht. Deswegen erzählte ja auch Jesus "Geschichten", nämlich Gleichnisse.
Mit seinen Büchern führt Peterson in die Bibel hinein. Das ist sein Ziel. Besonders anziehend finde ich dabei, dass er im Gegensatz zu vielen Theologen sich sehr gut in der Literatur auskennt und auch gerne von Leuten wie Kafka, Joyce oder Niezsche lernt.
Eines seiner neuesten Bücher ist "Eat this book". Darin versucht er zu zeigen, wie "man" einen Zugang zur Bibel finden kann. Inspiriert wurde Peterson durch seinen Hund. Denn als er den genüßlich an einem Knochen nagen sag, und das zum wiederholten Mal, fiel ihm eine Stelle aus der Bibel ein. Dort heißt es, wie ein Löwe sich über seine Beute freue, so freut der Psalmschreiber sich über Gottes Wort. Wie kann ein Mensch so etwas schreiben? Was bedeutet das? Was für eine Art von Freude ist das? Und vor allem: Was sagt das über Gottes Wort aus? Kann man sich wirklich so freuen? Diesen Fragen geht Peterson in diesem Buch nach.
In einem anderen Buch mit dem schönen Titel "Die Seele geht zu Fuß" erklärt er die 14 Wallfahrtspsalmen (Psalm 120-134). Das klingt zunächst auch relativ akademisch, ist aber eine schöne Einführung in den Glauben anhand dieser Psalmen, die meist sehr einfach sind und sich auf einen Gedanken beschränken. Hinterher geht die Seele wirklich wieder zu Fuß! Ich habe mir vorgenommen, möglichst viel von Peterson zu lesen.

Jordanus

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Dienstag, 27. Januar 2009
Ich lese mich selbst
Dienstag, 27. Januar 2009, 00:50
Der Seher in Asterix las unter anderem besonders gut aus Fischen. Auch sonst nahm er alles, was die Gallier ihm brachten, und las ihnen aus ihren Gaben alles, was sie hören wollten. Heutzutage sind wir gezwungen, alles in uns selbst zu finden. Irgendwie pervers, oder? Jedenfalls aus der Sicht des Sehers. Für den wäre das Kannibalismus gewesen.
Trotzdem schaue ich mal in meine alten Tagebücher, was ich da so finde. Am 20. August 2001, dem 100. Geburtstag meines Großvaters, las ich Hans Bürki's Buch "Im Leben herrschen".
Hans Bürki hat diesen Vortrag vor Mitgliedern der Studentenmission gehalten und ihn später als Buch veröffentlicht. Auch bei ihm geht es um Selbstlektüre:

Manche stehen mit ihrer eigenen Art im ständigen Widerspruch, weil sie meinen, diese sei ihnen selbst oder Gott im Wege. Doch nicht ihre Art steht im Wege, sondern sie selbst versperren sich den Weg. Sie verachten ihre eigenen Gaben und lassen sie ungenützt, weil sie mehr haben und sein wollen, als sie in ihren Augen erscheinen. Dauernd schielen und jagen sie nach Charaktereigenschaften und Lebensformen, nach Aufgaben und Wirkungsweisen, die sie für besser, wichtiger, geistlicher, ehrenvoller halten.

Wieso habe ich das damals aufgeschrieben? Damit ich es heute lese? Und weiter heißt es:

Es wird uns sehr demütigen, wenn wir einmal erkennen, wieviel göttlicher Gnade wir verschwenden, weil wir entweder in eigener Kraft ohne Gnade vorankommen oder in falscher Trägheit uns von der Gnade treiben lassen wollen ohne unseren eigenen Einsatz. Die Gnade hält den menschlichen Einsatz nicht auf, sie ermöglicht ihn erst richtig, indem sie ihm Antrieb, Zielrichtung und Gestalt gibt. Die Gnade unterdrückt nicht das menschliche Temperament, die individuelle Art, die persönliche Begabung, vielmehr reinigt und entfaltet sie alles Gott gemäß.

Und wie geht das alles? Wie läßt man diese Gnade richtig wirken? Wie kommt man voran, nicht aus eigener Kraft oder in Trägheit sich treiben lassend?

...ich habe es mit meinem Herrn zu tun, mit ihm allein. In der Übung der Einsamkeit vor Gott öffnet er mir Herz und Verständnis, damit ich erkenne, in welchem Ausmaße ich mich gewöhnt habe, vor den Augen der Menschen zu leben, wie sehr mein Tun und Lassen bestimmt wird durch Menschenfurcht und Menschengefälligkeit. Ich merke dann immer besser, wie sehr wir uns im geheimen leiten und bestimmen lassen von Menschen aus Fleisch und Blut, von Büchern, Gedanken, Systemen, Vorstellungen, ja von unseren eigenen guten und schlechten Vorurteilen, Erfahrungen, Absichten und Wünschen.

Ich muß sagen, zum Thema "Ich lese mich selbst" paßt das alles recht gut. Sollen andere halt weiter aus Fischen lesen.

Jordanus

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Dienstag, 12. August 2008
Plutonische Dialoge
Dienstag, 12. August 2008, 23:49
Eine Wanderung, 1924, zwischen Kreuth und Achensee in Bayern. Die Wanderer sind wegen des Nebels orientierungslos und suchen einen Ausweg.

Der Nebel wurde stellenweise so dicht, daß wir die anderen aus dem Blickfeld verloren und uns nur noch durch Rufen verständigen konnten. Aber gleichzeitig wurde es über uns heller. Die Helligkeit fing an zu wechseln. Wir waren offenbar in ein Feld ziehender Nebelschwaden gelangt, und mit einem Mal konnten wir zwischen zwei dichteren Schwaden die helle, von der Sonne beleuchtete Kante einer hohen Felswand erkennen, deren Existenz wir nach unserer Karte schon vermutet hatten. Einige wenige Durchblicke dieser Art genügten, um uns ein klares Bild der Berglandschaft zu vermitteln, die wahrscheinlich vor und über uns lag; und nach weiteren zehn Minuten scharfen Anstiegs standen wir auf einer Sattelhöhe über dem Nebelmeer in der Sonne. Im Süden waren die Spitzen des Sonnwendgebirgs und dahinter die Schneegipfel der Zentralalpen in voller Klarheit zu erkennen, und über unseren weiteren Aufstiegsweg gab es keinerlei Zweifel.

Der Physiker Werner Heisenberg verglich mit diesem Aufstieg durch den Nebel zur Sonne die Lage der Atomtheorie im Jahre 1924. Bald nach diesem Ereignis hat er während eines Kuraufenthalts auf Helgoland die entscheidenden Grundideen für die Entwicklung der Quantentheorie.

Das alles steht in einem kleinen Büchlein namens "Quantentheorie und Philosophie", in dem einige Aufsätze von Werner Heisenberg versammelt sind. Beinahe durchgehend beginnt er diese Aufsätze mit der Schilderung eines Zusammentreffens verschiedener wichtiger Physiker, das meistens in einen Spaziergang im Garten mündet, bei dem dann physikalische und metaphysische Probleme erörtert werden.

Ich weiß nicht, ob Heisenberg ein so gutes Gedächtnis hatte oder ob er diese Dialoge nur sinngemäß wiedergibt. Bemerkenswert daran ist jedenfalls, dass er überhaupt so eine lockere Form wählt, um physikalische und philosophische Probleme darzustellen. Es ist dieselbe Form, der sich auch Platon vor mehr als zweitausend Jahren bediente.

Da man viele der Protagonisten kennt, ist das ziemlich kurzweilig und lehrreich, auch wenn die Dialoge hier und da etwas unauthentisch klingen. Meistens ist übrigens der junge Carl Friedrich von Weizsäcker dabei, der meistens argumentative Breschen reißt, während Heisenberg vornehm schweigend dem Gang des Gespräches lauscht. Es klingt leicht gönnerhaft, wie Heisenberg die Wortmeldungen von Weizsäcker einleitet:

Carl Friedrich fing nun an, die Voraussetzungen der Kantschen Philosophie etwas genauer zu analysieren

oder

Aber Carl Friedrich wollte nicht lockerlassen

oder

Carl Friedrich antwortete nun sehr mutig, daß er gerade aus der Naturwissenschaft die Berechtigung zu einer etwas optimistischeren Auffassung nehme.

Lustig ist das vor allem, wenn man diesen Carl Friedrich noch als öffentliche graue Eminenz kennt, die auf Kirchentagen das Wort ergreift.

Bei dem allen wurde mir deutlich, dass Heisenberg aus einem großen Fundus an klassischer Bildung schöpft. Auch bei seinen Gesprächspartnern kann man in dieser Hinsicht ein hohes Niveau voraussetzen. Vielleicht ist es gerade das, was sie so erfolgreich gemacht hat. Die Fähigkeit, in der Physik bis dahin Undenkbares zu denken, ergab sich aus ihrer klassischen Bildung, die heute von Exzellenziniativen übergangen wird, weil sie nicht meßbar ist und für die Politik nicht von unmittelbarem Nutzen zu sein scheint.

Dabei ist nach wie vor die Philosophie die Grundlage des wissenschaftlichen Denkens. Wer seine eigenen Methoden begreifen will, sollte ein bißchen Ahnung davon haben. Wie Heisenberg. Oder Weizsäcker. Ich meine natürlich Carl Friedrich.

Jordanus

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